Zusammenfassung der Forschungsergebnisse

Zusammenfassung

Die interdisziplinär angelegte Arbeit beschreibt die wesentlichen konfessionspolitischen, wirtschaftlichen und mentalitätsgeschichtlichen Rahmenbedingungen innerhalb der Ackerbürgerstadt Werl und des Kurfürstentums Köln, die zur Zeit der Errichtung des Rosenkranzretabels (1631) in der Propsteikirche St. Walburga zu Werl beobachtbar sind. Aus ihnen wird abgeleitet, dass dem Kunst- und Kultobjekt Rosenkranzaltar folgende Funktionen zugeordnet werden können: Der Altar war Symbol religionspolitischer Gefolgschaft der städtischen Bevölkerung gegenüber ihrem Landesherrn und von den Bürgern getragenes Propagandainstrument der Rekatholisierung. Darüber hinaus diente er als magisches Mittel der Krisenbewältigung und als langfristig angelegtes Objekt der Jenseitsvorsorge.

Da es in Werl zeitgleich mit der Errichtung des Rosenkranzaltars auch zur Hinrichtung von etwa 70 Hexen gekommen ist, wird in einem weiteren Teil der Arbeit untersucht, welche Verbindungen zwischen Marienverehrung und Hexenverfolgung bestehen. Auf der Grundlage eines Vergleichs der Bilder von Maria und den Hexen wird sichtbar, dass die Vorstellungen von der guten Jungfrau Maria und der bösen triebhaften Hexe durch das Prinzip der Umkehrung miteinander verbunden sind und sich wie Licht und Schatten wechselseitig bedingen. Beide Imaginationen stehen im Zusammenhang mit einer theologisch begründeten Misogynie und Sexualfeindlichkeit, die in den Gestalten des sexualisierten weiblichen Hexenmusters und der entsexualisierten Gottesgebärerin Maria ihren zeitgeschichtlich bedingten Ausdruck gefunden haben.

Die dämonisierten Hexen galten wegen ihrer vermeintlichen Verbindung zum Teufel und ihrer Fähigkeit zum Schadenzauber sowie wegen ihrer angeblichen Triebhaftigkeit als besonders mächtig und gefährlich. Die idealisierte liebevolle und beschützende Gottesmutter Maria hingegen geriet im Gegenzug zur Projektionsfläche von Sehnsüchten und Weiblichkeitsidealen männlicher Theologen des 16.-17. Jahrhunderts. Die Bilder von Maria und die Hexen erweisen sich deshalb auch als extreme Pole frühneuzeitlicher theologisch definierter Sichtweisen von Weiblichkeit.

In zwei weiteren Kapiteln folgen eine religionsgeschichtliche Darstellung des Rosenkranzgebets sowie eine kunstgeschichtliche Würdigung und ikonographisch-ikonologische Erschließung des Retabels. Dabei werden die dargestellten Heiligenfiguren auf ihre Beziehungen zu den eingangs beschriebenen Rahmenbedingungen hin untersucht und mittels ihrer Attribute und ihrer Legenden identifiziert.

Den Abschluss der Arbeit bildet eine Untersuchung zu den Hintergründen des Bedeutungsverlustes des Rosenkranzaltars. Als Ergebnis stellte sich heraus, dass die Ursachen für diese Entwicklung wesentlich durch die kämpferische Bildpolitik der katholischen Reform während des 17. Jahrhunderts bedingt sind und mit einer als „Werler Gnadenbild“ berühmten Marienstatue aus dem 12. Jh. zusammenhängen. Das hohe Alter dieses wundertätigen Marienkultbildes und dessen Herausfallen aus dem Kanon der zeitgenössischen Kunst trugen in Verbindung mit einer sogleich nach der Überführung einsetzenden religiösen Propagandaliteratur dazu bei, dass das Gnadenbild zum Anlass einer bis heute andauernden Wallfahrtstradition werden konnte. Der Werler Rosenkranzaltar erlitt durch diese Entwicklung einen extremen Bedeutungsverlust.

Mit ihrer erstmals durchgeführten ikonologisch-ikonographischen Beschreibung des Altars und dem mentalitätsgeschichtlichen Nachweis der Zusammenhänge zwischen Marienverehrung und Hexenverfolgung leistet die 358 Seiten umfassende Arbeit (13 Farbdrucke, 16 S/W-Abbildungen) einen weiterführenden Beitrag zur Erforschung der westfälischen Frömmigkeitsgeschichte während des 17. Jahrhunderts. Darüber hinaus liefert sie Hintergrundinformationen zu Bedingungen, die als ursächlich für die Kontinuität theologisch bedingter Diffamierungen von Weiblichkeit und Sexualität angesehen werden können.